DAS LETZ NIEST (VII), Teil 1

Geschichten nachzuerzählen, die auf der Bühne gelesen wurden, wäre zu wenig. Da ist es schon besser, auf die Geschichte des Namens „das letz niest“ hinzuweisen, wie es sich gehört, mit Link, also hier.
Wir waren wieder zu Gast und auch zu Hause im heimeligen Tübinger Zimmertheater.

Uli Eder und Wolfgang Brenner Foto: Matthias Knodel

„Dinge und Menschen, die aus Bayern kommen, kommen meist nicht aus Bayern“, tragen Ulrich Eder und Wolfgang Brenner vom Diablog ihre Theorie zur Einführung in die 7. Augabe des „niesenden letzes“ vor. Deef (sprich wie engl. Dave) Pirmasens lebt zur Zeit in München, Frl. Fink lebt nur zeitweise in Bayreuth (Betonung auf der ersten Silbe), im Fränkischen, aber Teil Bayerns und ist schon mal nach München gefahren. Alexandra Tobor lebt in Marburg – gut, der erste Buchstaben von München (warum schreib ich zuerst immer Münschen?) und Marburg sind gleich, aber das war’s schon mit Gemeinsamkeiten.

Uli Eder Foto: Matthias Knodel

Uli Eder berichtet von seiner Abmahnungsgeschichte wegen eines Stadtplanschnipsels, den er vor fünf Jahren verwendet hatte. Ehe er sich versah, war er in den Fängen der ABMAHNUNGSINDUSTRIE  und einen runden Tausender los. Merke: Man guttenbergt schneller als man denkt! In der Sparte: Was wurde aus…? wird die Beteiligung an einer Lesung von DASLETZNIEST als Möglichkeit, einen Job zu finden, präsentiert: Roman Held, der nächstes Mal die Schokolade, die nach ihm benannt wurde, erhalten soll.
Pia Ziefle aus Mössingen versucht Uli auch schon des längeren für dasletzniest zu gewinnen, was ihm jedoch bisher nicht gelang. HÄKELSCHWEIN war schon bei Günther Jauch und steht nun auf dem Tisch im Zimmertheater. Wo sich doch Häkelschweine überall herumtreiben!

Wolfgang Brenner Foto: Matthias Knodel

Wolfgang Brenner, Kassier der Laubenpieper (bei uns würde man sagen: Organisierte Gütlesbesitzer) weiß aus vielen Gesprächen von gesundheitlichen und Vereinsnachwuchsproblemen der alternden Laubenbesitzer. Dazu kommt, dass Exilschwabe Wolfgang unter dem in Berlin real existierenden Schwabenhass, seinen Auswirkungen (abgefackelte Kinderwagen und Bananenkisten) und deren juristischer Würdigung (Schwabenhass ist kein gutes Motiv) leidet.
Ganz anders hingegen der im prallen Alltag erlebte Dialog zweier geschwistrigen Kleinkinder – nachzulesen in der Serie KID CUTS – zum unerschöpflichen Thema PUPS, PIPI und KACKA. Herrlich!

Uli Eder Foto: Matthias Knodel

Uli bringt digitale Probleme dem Publikum mittels eines Puppenspiels nahe. Nein, eigentlich sind es die Tücken des Alltags, die ihn buchstäblich zu Fall bringen und für Mitgefühl bei den Zuhörern sorgen. Aber, lest selbst, eine Geschichte, die einem an bestimmten Stellen immer wieder dieses Geräusch entlockt, das entsteht, wenn ich, mich ganz identifizierend, mir die Luft stoßweise durch die Backenzähne der vergleichsweise geschlossenen Zähnen einsauge.

Alexandra Tobor lebt in Marburg und jetzt in Augsburg (soviel zum running Gag BAYERN),  bloggt und twittert als silenttiffy und ist Autorin eines Buches, das am 8. Juni erscheint. Es heißt: SITZEN VIER POLEN IM AUTO: TEUTONISCHE ABENTEUER
(Und wenn ihr das Buch haben wollt, und ihr wollt es haben, dann bestellt dieses Buch beim Buchhändler eures Vertrauens, außer ihr sagt: Was brauche ich Buchhandlungen, ich will ausschließlich den anonymen Buchversand, dann bestellt ruhig bei diesem Versand mit A am Anfang! Aber meckert nicht, wenn eines Tages der Buchladen dicht gemacht und an seiner Stelle ein Sonnenstudio eröffnet hat!)
Alexandra las vor zwei Jahren aus einem nicht vorhandenen Buch eine vorhandene Geschichte und arbeitet nun fieberhaft an der Vollendung ihres Manuskripts, das bis Ende Februar fertig sein muss. Sie kommt als Sechsjährige mit ihrer Familie aus Polen/Schlesien nach Deutschland und schreibt Migrations- und Integrationsgeschichten, verbessert „Geschichten“ zu „Grotesken“. Ihre Fähigkeit, in schwierigen Situationen (wie beispielsweise bei schlechtem Essen) den Tod vorzutäuschen, beschreibt Alexandra fast anrührend und beweist, ein Gourmet zu sein mit ihrer Vorliebe für Zahnpasta mit Himbeergeschmack und Radiergummis auf Bleistiften. Im verbotenen Keller entdeckt sie die „Welt der Wunder“ in Gestalt eines Quelle Katalogs. Zeitgleich mit Kindern, die hier mit Sesamstraße und Benjamin Blümchen aufwuchsen, fordert die Autorin eine Freundin auf: „Lass uns Cola-trinken spielen“, um eine Dose mit Wasser aufzufüllen und davon zu träumen, dass in der BRD „jeder seine eigene Dose hat“. Ja, die Zeit bis zum Erscheinen des Buches wird lange werden….

Alexandra Tobor, Foto: Matthias Knodel

 

Mehr über KULTURPRODAKSCHN und Matthias Knodel hier.

Fortsetzung folgt! (Wir lachten früher immer über die abgekürzte Version „Forts.folgt“)

Das letzt niest (VII)

Bereits zum 7. Mal (VII. für Altphilologen) veranstalteten Wolfgang Brenner und Ulrich Eder die inzwischen schon legendäre Blog ’n‘ Twitter goes stage-Veranstaltung im Tübinger Zimmertheater. Bevor ich nun ausführlich werde und echt gute Bilder (und damit meine ich nicht meine) das Geschehen dokumentieren werden, stimme ich mit ein paar – Backstage-Bilder kann ich sie nicht nennen, nein eher Pre-Stage-Fotos, ein.

Hinter den Niedrigkeiten des Alltags erscheint das warme Licht des Zimmertheaterschaufensters.

Da! Das Plakat!

Durch die Türe des Tübinger Zimmertheaters...

...in den noch leeren Zuschauerraum.

Ein wenig später sieht man schon die Protagonisten (Auswahl) in der ersten Reihe sitzen: rechts Uli Eder, zweiter von rechts Deef Pirmasens.

Die Bierflasche wartet darauf, Opfer des running Gags zu werden, nämlich umzufallen, was sie aber nicht tat.

Den Tisch schmückt schon das Häkelschwein. Gleich geht's los!

Sie beherrschen die gesamte Tastatur des Schauspielerhandwerks (links Eder, rechts Brenner) und werden demnächst loslegen...

Ja, demnächst mehr!

Lohn der Angst – Teil 2

Foto: Matthias Knodel. Bastian Melnyk

Bastian Melnyk zeichnet jeden Tag Comics seiner Hauptfigur Fledermaus Fürst Frederick von Flatter, genannt Fred. Dessen bester Freund ist Käfer. Dafür verbraucht Bastian Unmengen von schwarzer Tusche für den Hintergrund. Ich will hier keine Comics erzählen. Man muss sie sich anschauen und sich hinein leben und ist stets aufs Neue über den tiefgründigen und sprachlich überraschenden Witz erstaunt und kommt zur Erkenntnis, dass Schwarz-Weißmalerei extrem bunt sein kann. Bunt wie seine Sprachserien und –spiele. Er outet sich als einer, der bei Namen völlig unkreativ sei, deshalb heißen alle Protagonisten Peter. In einer weiteren Geschichte lernen wir ein Haustier namens Haustür kennen, das, wie könnte es anders sein, apportüren kann. Zungensprachakrobatisch wird es in der Petergeschichte, in der es um Petererscheinendestimmenimitatoraußerirdische geht. Nachdem sich durch täglichen Emailverkehr mit seiner Freundin, obwohl sie sich sahen, eine gewisse Langeweile entstanden war, begann er Begegnungen zu schreiben, „ich schreibe das so runter.“ Wir hören von einem Schmetterling, der mit seinem martialischen Namen nicht klar kommt und lieber ein Schmusling wäre. Oder von einem Schuh, der mit Hilfe von Käsebrötchenauflage, oder war es Brötchenkäseauflage, den Trennungsschmerz von seinem Fuß zu überbrücken versucht. Zum Schluss erfahren wir, dass Nilpferde nilwiehern, das wie lachen klingt. Bastians T-Shirt übrigens war ohne Botschaft, einfach schwarz, wie Tusche.

Foto: Matthias Knodel.

Foto: Matthias Knodel. Jan-Uwe Fitz

Schon die Ansage des letzten Letzniesers, Jan-Uwe (mit Hemd, kein T-Shirt) Fitz strotze von Superlativen. Beispiel: Fitz hat als Taubenvergraemer bei Twitter knapp unter         30 000 Follower, so viel wie die Anzahl der Einwohner Herrenbergs! Sein Blog sei eine(r) der berühmtesten (oder war’s der berühmteste, ich hab da nicht richtig aufgepasst?) Kein Wunder, denn die Lesung aus seinem Roman Ich denke, also spinn ich mit einer Hauptfigur namens Jan-Uwe Fitz, die, laut Klappentext völlig gestört ist und ständig Angst hat, gerät zu einer Bühneshow mit Dauerdialog mit dem Publikum. Er spielt seine verschiedenen Rollen in einer Intensität, Sprachgewalt und einem Witz großer Schauspieler, unterbricht sich selbst, um immer wieder auf Reaktionen, auch vermeintliche, des Publikums einzugehen. Die Frage, warum der Roman kein Roman ist, kann letztendlich nur jeder, der im Anschluss das Buch kaufte, für sich selbst klären. Und dass die Rahmenhandlung nicht zu Beginn, sondern im Buch erscheine, schob Jan-Uwe Fitz auf den Verleger. Und nicht nur einmal gibt er Lebenshilfe für ängstliche Menschen, beispielsweise im Problem, dass der Protagonist bei einer ICE-Fahrt auf den Scheitel eines Mitreisenden schauen muss, der die Kopfhaut freigibt (Ein Scheitel ist Porno), anstatt sie mit den Haaren zu bedecken. Außerdem würgt Herr Menke und läuft Amok (irrational & spontan) Und dann war noch was vom illegalen Patienten.

Nachtrag: Richtig wiesen Uli Eder und TurnieGC darauf hin, dass Jan-Uwe Fitz‘ Roman „Entschuldigen Sie meine Störung“ heißt.

Lohn der Angst? Dass die Besucher einer Netzliteratur-, bzw. Literaturnetzreihe, die sich etabliert hat, möglicherweise bis zum Herbst auf DLNVI warten müssen und so frühzeitig im Zimmertheater sein müssen, um einen Sitzplatz zu bekommen! Außerdem passt diese SPRECHSTUNDE hervorragend ins Zimmertheater, das damit in gekonnter Weise sein Portfolio abrundet, Uli Eder & Wolfgang Brenner sei Dank!

…. und meinem Kollegen & Fotografen des Abends Matthias Knodel!

Foto: Matthias Knodel.

Foto: Matthias Knodel