Radebrechen

 

Dass Radek,

der eigentlich Sobelsohn hieß, als Rädelsführer

interniert wurde, kümmerte Ann Radcliffe

wenig, obwohl der Umstand durchaus

thematisch in ihre Schauerromane gepasst hätte.

Eben diese schrieb sie keineswegs auf einem Raddampfer,

der auf der Radebusa

täglich verkehrte, welche

im Böhmerwald entspringt,

um sich südlich von Pilsen

in die Angel zu ergießen.

Sigismund von Radecki

las davon, übersetzte aber hauptsächlich

Puschkin und Gogol, wenn er nicht gerade

ein Pils in sich hinein goss, um

humorvolle Erzählungen pünktlich

beim Verleger abgeben zu können.

War es in Radebeul,

Radeburg

oder  in Radeberg

oder in Radevormwald?

Rat mal!

Die radikale

Zufuhr weiterer Pilsgaben bewirkten,

dass R. auf dem Klangteppich des Radetzkymarsches

Rädertiere

erschienen, so genannte Rotatorien,

die er – peinlich, peinlich – mit schwerer Zunge als Rotarier

ansprach.

So hatte er schlussendlich mit Hilfe vieler Radeberger

relativ mühelos das Radebrechen

erlernt.

(H.B. 2005)

Eichen und Buchen

Sein Leben lang

musste der Förster Eichen, Buchen

und anderes Gehölz schlagen lassen und verhökern.

Nichts war ihm lieber,

als Eichen zu buchen.

Nun – nach Wegfall der angeblich unrentablen Dienststelle –

sah er sich gezwungen –

und dies kurz vor seiner Pensionierung -,

Buchen zu eichen.

Er verstand es Zeichen

zu weichen.

(H.B. © 7. 12. 2005)

Drosophila melanogaster

 

Nach langen Jahren ohne Segen

half der Freunde langes Reden,

und die Fliege

kriegt die Biege,

lässt mit Müh und Not das Saufen

und – lässt sich taufen.

Interessant war allemal

das Ritual:

Wie bei einer Taufe üblich,

braucht man Wasser.

Doch zuviel wäre betrüblich,

darum tut es au,

ein kleiner Tropfen Tau.

Die erwartungsfrohe Fliege

auf reich geschmückter Tauf-Liege

wird durch die Taufe nun zur Tau-Fliege.

 

Vorne hieß  der Pfarrer Rainer –

war zufällig auch Lateiner –

und gab ganz kurz noch vor dem Amen

ihr einen latein’schen Namen.

So nenn’ ich dich, rief laut der Paster,

Drosophila melanogaster.

(H.B. © 21. 6. 2001)

Am liebsten lesen?

Auf meinem geliebten RABENKALENDER von Zweitausendeins steht am 27. November die Frage: „Wann und wo lesen Sie am liebsten?“ Klaus Bittermann antwortet:  “ Um 14 Uhr nach dem Lunch im Halbschatten auf einem Liegestuhl vor einem menschenleeren Swimmingpool.“ Laura Shaine Cunninham (ich gebe zu, ich kenne die Dame nicht. So geht es mir täglich des öfteren, wenn irgendwelche Sterbe- und Geburtsdaten berühmter Leute abgedruckt sind!): „Im Winter am heimischen Kamin. Im Sommer auf der Veranda. Sonst immer im Bett.“ Norbert Johannimloh meint: „Wenn die Sonne untergeht. Da, wo ich eigentlich schreiben sollte, am Schreibtisch.“ „Im Zug“, merkt Hermann Kinder an, Ludger Lütkehaus: „Am Frühstückstisch“. Ich füge an: „Ich lese am liebsten (wann) abends (wo) in einem Buch.“ (H.B.)