Die kleine radikale Minderheit…

… der Berufsdemonstranten war einmal mehr zahlreich unterwegs. Ich beteilige mich jetzt nicht an Zählspielchen, aber es waren so viele Menschen, dass man, egal wo man sich befand, nach vorne und hinten kein Ende sah. Zu Beginn gab es von Volker Lösch den Beitrag „60 Lügen in zehn Minuten“. Für Herrn Wagner, der am 30. September durch Wasserwerfer schwer verletzt wurde, sangen -zig Tausende  ein Happy Birthday zum Geburtstag. Mit viel Humor zeigen die Stuttgarter und Zug’reiste ihren Protest:

Der OBENBLEIBÄR. Aus Datenschutzgründen bearbeitet (gelungen, gell?!)

Keine Gewalt bitte,

aber angesichts der aktuellen Ereignisse in Japan denke ich schon an Schläge, an RATschläge in Richtung derjenigen Kreise, die bis vor ein paar Tagen wider besseren Wissens auf die Atomkraft gesetzt haben und nun aufgrund anstehender Wahlen Gesichts-, aber viel mehr noch Stimmenverluste befürchten! Es kann doch nicht angehen, dass bis in die Regierung hinein jetzt auf einmal die politisch Verantwortlichen auf dem Rücken des japanischen Volkes und der bundesdeutschen Wähler alles aufgeben, was Jahrzehnte lang als unumstößliche Wahrheit galt. Und sie nutzten wahrlich die gesamte Tastatur von Verharmlosung, Verunglimpfung und Lüge, um Atomkraftgegner zu diskreditieren. Meine Damen und Herren, nehmen Sie sich ein Beispiel an der japanischen Regierung, die nur heraus lässt, was nicht mehr zu leugnen ist. Warum? Um Panik zu vermeiden. Sehen sie, Frau Merkel, nicht die Gefahr eines BURN-OUT-Syndroms bei Ihren Wählerinnen und Wählern? Ich bin ja froh – um im japanischen Beispiel zu bleiben -, dass Harakiri ein historisches Ritual geworden ist. Eine würdige Alternative, die unserem europäischen Kulturraum angemessen wäre, könnte die Selbstauflösung der derzeitigen Regierungsparteien sein, ein  Verdampfen des atomaren GEDANKENgutes – rückstandsfrei ohne den Zwang zur Endlagerung. Für solchermaßen Geläuterte dagegen fände sich bestimmt eine neue, politisch befriedigende Wiederaufbereitung. P.S.: Zur Weiterbildung sei das heutige Frontal 21 empfohlen, inklusive des wenig ausgewogenen (und gerade aus diesem Grund ethisch besonders wertvollen) Beitrags „Toll Einfach mal abschalten!“.

Mir fällt Schätzings…

…“Schwarm“ ein, und wenn ich auch keinesfalls esoterischen Naturrachetheorien hinterher hänge, so bleibt doch der Gedanke, dass es mit Japan ein Land getroffen hat, das mit seinen „Meeresressourcen“  (unsere Mitbewohner, die Fische und Meeressäuger) in besonderem Maß unmäßig und zudem unverantwortlich umgeht  – dem wird wohl, zumindest im Augenblick, niemand widersprechen wollen –  und auf unbeherrschbare und gefährliche Energietechnologie setzt. Der Natur- und Atomkatastrophe folgt dann die politische: Fehler werden von den Verantwortlichen in Politik und Industrie immer erst dann zugegeben, wenn es nichts mehr zu leugnen gibt. Das war bei der Katastrophe von Tschernobyl so, aber auch bei Störfällen in deutschen AKWs, wo beispielsweise ein Reaktorunfall in Biblis erst ein Jahr danach bekannt wurde. Die Statements des japanischen Botschafters am Sonntagabend bei Anne Will stehen ganz im Zeichen dieser Tradition. Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass Al Kaida als Verursacher des Tsunami ausgemacht wird. Inzwischen sind wieder Stunden vergangen und Merkel, Röttgen, Mappus und Seehofer vollführen erstaunliche Pirouetten, die man mit ihrer Vehemenz schon als alternative Energiequellen nutzen könnte. Lächerlich! Jetzt auf einmal werden Überprüfungen und Abschaltungen in Aussicht gestellt. Wieso jetzt? Sind doch die Anlagen angeblich so sicher, dass die Regierungskoalition letzten Herbst den Atomausstieg revidierte. Ich empfehle hierzu in den Tagesthemen von gestern ein Interview von Caren Miosga mit Umweltminister Röttgen (Beginn bei 0:21). Grandios! Wiederum antwortet Röttgen auf die Frage, ob hinter der 180-Grad-Drehung der Bundesregierung wahltaktische Absichten stecken mit einem „Vortrag“, der von Loriot stammen könnte: Eine Ansammlung von Worthülsen! Gleich danach ein Kommentar von Ulrich Deppendorf, der mit den Worten beginnt: „Was wir heute erlebt haben, (…) ist  eine der atemberaubendsten Wenden einer Bundesregierung…“ (Beginn 0:27:30). Nachtrag: Spiegel online zeigt eine neue Variante der vorher-nachher Projektion von betroffenen japanischen Ortschaften.

Humor ist…

„152181  Party Tape ‚KRISENGEBIET‘ 6 m Trassierband € 1,75* zzgl. Versandkosten Absperrband aus Kunststofffolie. Länge ca. 6 m, Höhe ca. 8 cm. Schwarzer Aufdruck ‚KRIESENGEBIET‘ und Atomwarnzeichen auf gelben Trassieband. Nicht nur zum Absperren noch nicht ganz aufgeräumter Kinderzimmer…“

Erklärung: Ich habe am Text nichts verändert.

„Alle 10 000 Jahre ein Störfall“…

… hieß es von Seiten der Atomkraftlobbyisten in den Achzigern. Dann ereignete sich 1986 die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Lange, sehr lange hielt sich in Reutlingen ein Graffito, das erst im Zuge von Neubaumaßnahmen (zu früh, wie wir jetzt sehen) verschwand:

ALLE 10 000 JAHRE EIN STÖRFALL –

WIE DOCH DIE ZEIT VERGEHT!

Ich stehe nach wie vor unter dem Eindruck der Katastrophenbilder, deren Realität man eigentlich gar nicht glauben will: Eine Flut schwimmender und brennender Städte wälzt Häuser, Schiffe und Unmengen von Autos unter Brücken hindurch und über jedes Hindernis hinweg. Was mir dagegen wieder sehr bekannt vorkommt, ist eine „Informationspolitik in kleinen Scheibchen“: Immer erst Tatsachen zugeben, wenn es gar nicht mehr anders geht. Eine sehr kritisch nachfragende Marietta Slomka präsentierte uns gestern einen grandios schwafelnden Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der mit vielen Worten NICHTS sagte und sich so über seine Interviewzeit rettete. Tatsächlich wieder einmal fest zu stellen: Erst muss etwas passieren. Und ganz so nassforsch wie in den ersten Stellungnahmen („Nicht zu vergleichen!“) geben sich die Atomstrombefürworter inzwischen nicht mehr. Wie wäre es denn, eben diese Klientel mit dem THW nach Japan zu schicken, um Vorort-Hilfe zu leisten? Fukushima wird wie Tschernobyl als Begrifflichkeit bleiben, die hoffentlich endlich eine Umkehr in der Atompolitik in Gang setzt. Gerade diejenigen unter den Politikern, die sonst immer und alles parteipolitisch ausschlachten, warnen jetzt scheinheilig eben davor. Und noch eins: Ich gehe dieses Mal (nicht nur aus diesem Grund) wieder wählen. Abwählen!

Nachtrag: Gerne verweise ich auf den Link von DrNi zur „Liste meldepflichtiger Ereignisse in deutschen kerntechnischen Anlagen“ (siehe Kommentar). Außerdem ein schöner Film zur Menschenkette am gestrigen Samstag von Neckarwestheim nach Stuttgart.