Ostersonntag

Die Sonne lacht, die Vögel zwitschern. Es klingelt an der Haustüre. Ich öffne.

Der Osterhase steht vor der Türe und behauptet, er sei vom Hermes-Versand.

„Vorsicht zerbrechlich“ steht auf dem rosafarbenen Päckchen. Der Osthase küsst mich und entschuldigt sich, er müsse weiter. Ich hole die Sonntagszeitung des Generalers aus dem Briefkasten und setze mich an den Frühstückstisch: Zu gerne hätte ich gewusst, was in dem Päckchen ist, aber der Aufkleber „Nicht öffnen“ hält mich zurück.

Die Zeitung titelt: „Von der Leyen schwenkt um. Die steigende Zahl der Ostermarschgegner hat das Verteidigungsministerium veranlasst, sein Wehrkonzept zu überdenken.“ Marode Ausrüstung soll nicht mehr ersetzt werden. Ein Sparprogramm besagt, keine Waffen, Hubschrauber und Fregatten mehr auszuleyen (Druckfehler!). Vorhandene Panzer sollen im Naturschutz eingesetzt werden. Ausgesuchte Truppenteile leisten sozialpädagogische Betreuung von Nazis und Rechtspopulisten. Unter dem Motto „Wir sind Wehrmacht“ soll Brauchtum beschäftigungstherapeutisch wirken. Ausgesuchten Kasernen kommt hiermit ein Reservat-Status zu. Im IT-Bereich sind dagegen deutlich erhöhte Ausgaben geplant. Um die Kampfkraft der Truppe zu halten und perspektivisch zu erhöhen, werden alle Führungsebenen auf Ego-Shooter-Spielen zu Play-War-Experten (um)geschult. Analog dem Sportgeschehen wird zuerst auf nationaler Ebene eine Bundesliga installiert, später dann eine Euro-, beziehungsweise NATO League. Ziel wird sein, weltumspannende Play-War-Olympic-Games abzuhalten, die in rein virtuellen Szenarien ihre Sieger ermitteln: Sauber, (fast) emissionsfrei, umweltschonend und ohne analoge Kollateralschäden.

Ein Schluck Kaffee. Hochinteressant! Auf dem rosa Päckchen lese ich: „Jetzt öffnen!“ Zehn wunderschön gefärbte Ostereier entnehme ich ihrem grünen Holzwollebettchen. Eines davon ist „nato-oliv“. Aber heute nennt man das ja „camouflage“. Es gibt ihn also doch, den Osterhasen!

  1. April 2018