Wunschbaum

Der Wunschbaum steht auf dem Pfullinger Berg und bietet immer wieder Anlass, das Wunschgebaren und Formen von Religiosität kleiner und großer Menschen zu studieren. Gut, wem’s hilft. Manche Menschen sind schon auf haltbarere, da wetterbeständigere Unterlagen übergegangen.

Der Wunschbaum

 

Der Wunschbaum

Direkt am Weg auf den Pfullinger Berg hatte vor Jahren ein talentierter Schnitzer eine alte Buche mit einem Kopf verziert, der wohl einen bärtigen Berggeist darstellen soll. Darüber die geschnitzte Inschrift: Wunschbaum.

Gelegentlich las ich die Zettelchen, die Menschen unterschiedlichen Alters an den Zweigen befestigt hatten und auf denen sie sich Dinge wünschten, die von der Genesung eines Haustieres bis zum Weltfrieden reichten. Ähnliches findet man gelegentlich, wenn man Kirchen besichtigt, in denen eine moderne Gemeinde eine Kommunikationsecke eingerichtet hatte, dort, wo früher Votivtafeln in Wort und Bild Danksagungen an Heilige zum Ausdruck brachten. Der Wunschbaum hier nun als esoterischer Freiluftkultplatz. Als aufgeklärter Mensch fand der Ort mein Interesse als Objekt empirischer Kulturwissenschaft: Das Bedürfnis nach zeitgenössischer Religion und Mystik.

Ich konnte es mir nicht verkneifen, auf einem Spaziergang im Spätsommer diesen Jahres der bestehenden Sammlung ein Zettelchen hinzuzufügen. Auslöser war, dass ich mich einmal wieder über Nachrichten aus der Finanzwelt, welche die gnadenlose Bereicherung von Topmanagern zum Inhalt hatten, maßlos aufgeregt hatte. Ich schrieb: “Drecksbanker, möge euch der Blitz beim Scheißen von der Brille fegen“ (Drei Ausrufezeichen).

Als dann mit dem Desaster der Lehman Brothers der wirtschaftliche Sturz in den freien Fall seinen Anfang nahm, erinnerte ich mich an meinen Zettel am Wunschbaum………..

Sorry, so hatte ich es jetzt auch nicht gemeint!

Text: H.B. 2008