Die Behäbigkeit einer Anstalt

Leserbrief zum Bericht „Kleinkunstpreis für Tübinger Duo“, GEA vom 26.1. Veröffentlicht am 13. Februar 2013 im Reutlinger Generalanzeiger (GEA)

Der Kleinkunstpreis Baden-Württemberg ist einer der bedeutendsten Auszeichnungen in Deutschland. Nun haben ihn Harald Kienzler und Jakob Nacken als das Poetry-Slam-Duo „Harry & Jakob“ verdientermaßen erhalten: Ganz große Gratulation! Ich will dies zum Anlass nehmen, Streit zu suchen, Streit mit dem SWR-Fernsehen: Im Gegensatz zum BR oder dem WDR, die ihren Kabarettisten und Comedians üppige Sendeplätze widmen, ist der SWR nur am Sparen: Man setzt auf „Bewährtes“. Ich werde den Teufel tun, „Bewährtes“ herabzuwürdigen, aber es gibt in Baden-Württemberg Künstler, die teilweise seit Jahrzehnten bundesweit die Szene beglücken, aber im Fernsehen nicht präsent sind. Nur zwei Beispiele: Ernst Mantel & Heiner Reiff, derzeit, wie ich finde, eine der intelligentesten und sprachlich witzigsten Vertreter der schwäbischen Mundart. Oder die COMEDY STUBE, eine Mixed Show aus dem Tübinger SUDHAUS, die seit bereits sieben Jahren erfolgreich monatlich ausverkauft ist und ein unvergleichliches Format präsentiert, in dem grandiose Nachwuchstalente entdeckt und präsentiert werden. Daneben bringen die Macher: Helge Thun, Udo Zeppezauer, Christine Prayon und Jakob Nacken (ja, der mit dem Kleinkunstpreis) Stars auf die Bühne und spielen selbst eine Mischung aus Musik, Comedy, Literatur und komisch aufbereitetem klassischen Theater. Die Arbeit dieser großartigen Künstler seitens des SWR so nachhaltig zu ignorieren, grenzt an Arroganz. Oder ist es nur die Behäbigkeit einer in die Jahre gekommenen SendeANSTALT? Ich bin mir sicher, der „alte SDR“, der Mut und Vision bewiesen hatte, mit Loriot ein erstes „Comedy“-Format zu präsentieren, würde diesem Ausnahmekünstler heute keinen Sendeplatz mehr einräumen! Merken die Bedenkenträger im SWR denn nicht, dass das BaWü-Dritte ein Schaufenster unseres Bundeslandes ist – mit allen Risiken, vor allem aber Chancen, die Kreativ-, Theater und Kleinkunstszene zu präsentieren? Das Saarland hat mit „Heinz Becker“ einen Sympathieträger an Bord geholt. Stattdessen ver(sch)wendet man beim SWR-Fernsehen viel Zeit, die Landesschau zu einem „Wetterformat mit Kurznachrichten“ umzubauen. Ich würde mir einen SWR wünschen, der sich zu trauen beginnt, mit seinen Zuschauern in Kontakt zu treten, der bereit ist, Augen und Ohren zu öffnen und eine bürgernahe Streitkultur pflegt, um letztendlich die Sende(r)qualität mit Zielsetzung „Sympathieträger Ländle“ zu verbessern. Das Potential wäre vorhanden, denn wir könn(t)en ja bekanntlich alles…

8 Gedanken zu „Die Behäbigkeit einer Anstalt

  1. Hab auch geklatscht!
    Nur: Beifall klatschen beim Zeitungslesen kommt in seiner Wirkung dem Auspfeifen des Fernsehers gleich.
    Wie schaffen wir es, dass derlei Geräusche beim SWR gehört werden? Per Telefon scheint das schwierig.
    Idee: Die Comedy-Stube sammelt Hörer-Post an den SWR und veranstaltet eine eigene SWR-Radio/TV-Lesung (Motto: „Der SWR geht uns auf den Sender!“). Solche Veranstaltung bereitet sicher viel Freude und macht die Kritik am SWR endlich öffentlich…

  2. @Manfred: Richtung stimmt, aber die Kollegen von der COMEDY STUBE sind vermutlich zu bescheiden, um das selbst zu initiieren. Ich denke, die Politik muss Standpunkt beziehen. Ich habe schon die erste Einladung zu einer Diskussion raugeschickt.

  3. @Bachschuster: ’s‘ ist gut angekommen, danke!
    Will mal so sagen: Als Nutzer/Konsument/Verbraucher bist Du ja immer erst mal isoliert und hast Mühe, Anliegen und Beschwerden an der richtigen Stelle unterzubringen. Und kaum mal der Nachbar weiß davon. Das gilt fürs Fernsehen, Radio (das ärgert mich auch), allerlei Gerätschaften (habe heute eine dicke Beschwerdebrief an die Fa. Neff geschickt), – bis hin zum aktuellen Pferdefleisch mit eingebautem Schlafmittel. Wenn also vereinzelte Konsumentenbeschwerden über allmächtige und unerreichbare Institutionen gesammelt und – gerne mit Unterhaltungswert – transparent gemacht werden (der gute alte Pranger), wird brave Bürgergesellschaft zur wehrhaften Würgergesellschaft. Oder so ähnlich halt…

  4. Andernorts protestierten die Leute gegen fast 18€ „Rundfunksteuer“ und sagen, sie würden eh nie fernsehen oder Radio hören. Die Frage ist: Warum tun sie’s nicht? Und die Antwort ist meines Erachtens: Weil nix Spannendes mehr kommt. Jetzt geben wir den öffentlich-rechtlichen Sendern also die Kohle, damit sie weiter in der Sackgasse voran kommen. Subbr!

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