6 Gedanken zu „Satire darf …

  1. Nichts gegen den geschätzten Tucholsky, aber (typischer schwäbischer Denkvorgang):
    Was ist Satire?
    Wo sind die Grenzen zu Schmähung, Verunglimpfung, Miesmachen, Hetze…?
    Wenn das nicht geklärt ist, kann man unter dem Begriff Satire Menchen gegen einander aufhetzen. Das wäre dann sicher nicht im Sinne von Tucholsky.
    Vermutlich ist ein Hinweis auf Satire, wenn dadurch Zusammenhänge klar, werden, die leicht übersehen werden. Aber genügt das?
    Schön wäre, wenn man dem Satiriker eine menschenfreundliche Gesinnung unterstelllen könnte, dass er aufklären, erklären, warnen, mahnen, erinnern wolle. Aber ob man das immer kann?
    Also abseits aller lingustischer und umgangssprachlicher Fragen, ist für mich nicht geklärt, wo die Grenzen der Satire liegen. Und solange ich das nicht weiß, kann ich Tucholskys Diktum, dass Satiere alles dürfe, nicht unterschreiben. Die Lebenserfahrung sagt mir, dass auch Satire Grenzen hat, wie alles im Leben, aber wo?

    Grübelnd grüßt
    Cajo

  2. Ich denke, die Grenzen müssen täglich und situationsbedingt neu ausgelotet werden. Diese Grenzen schwimmen auf den Wellen der kritischen Einstellung, der Zivilcourage und der Hoffnung auf konstruktive und gehörte Gesellschaftskritik, verbunden mit humoriger Angriffslust. Ist der Seegang zu hoch, leiden die oben genannten Werte. Konkret traut sich sicher ein deutscher Karikaturist weniger als die Zeichner bei CHARLIE HEBDOT. Bei deutschen Satirikern (egal ob sprechende, zeichnende oder schreibende) gab es schon die Tendenz, sich aus diesen Themen herauszuhalten, angeblich, um niemanden zu verletzen. War das immer richtig? Schont man bei uns insgesamt die Kirchen zu sehr? Die Diskussion ist neu eröffnet. Fest steht für mich, dass die Trennung zwischen Kirche und Staat (überall) wieder diskutiert werden muss – nachhaltig!

  3. Ja, miteinander reden ist immer besser, als übereinander.
    Ich glaube es gibt zwei Fragen, die bedacht werden sollten:
    1.) Wie gehabt, wo die Grenzen der Satire liegen, liegen sollten, oder was Satire ist und was etwas Anderes (das unter falscher Flagge segelt).
    2.) Wie muss Satire sein, damit sie wirkt. Satire nur als Frustventil, mag ihre Berechtigung haben, aber reizvoller ist doch, wenn sie Erkenntnisse vermittelt, zum Nachdenken, ja zum Überdenken der eigenen Position anregt, also sozusagen als geistige Lockerungsübung, die erlaubt aus Denkschablonen auszubrechen, also im besten Sinne menschlich und gegenseitiges Verstehen weckend wäre.
    Die den Französischen Satirikern zugeschrieben Aussage, sie müsse, wie ein Schlag ins Gesicht sein, gefällt mir nicht. Gewalt, auch sprachliche oder bildliche Gewalt ist für mich immer fragwürdig. Wenn ich von den altgriechschen Satyrspielen ableite, dann geht es da eher im Entlarvung von falscher Autorität (wie beim Elferrat, der samt Funkenmariechen die Französische Besatzungsmacht verspottete), um spielerisches Infragestellen, um Rollentausch zwecks Blickwinkelveränderung, also im weitesten Sinne um Denkanstöße und Erkenntnisgewinn, oder um Humanität.
    Deshalb halte ich auch mehr von einem Humor mit Geist, als davon den Leuten mit dem Arsch ins Gesicht zu springen, weil Letzteres nur Widerwillen weckt, ersteres könnte (natürlich nicht jede/n) ins Grübeln bringen und das wäre m.E. ein Gewinn.
    Und ganz großartig wäre, wenn Satire die Verkrampfungen aus Angst, Ohnmacht, Ahnungslosigkeit, Habgier usw. lockern würde, so dass es nicht mehr so schwer fiele verschiedenen Sichtweisen auszuhalten und zu akzeptieren.

  4. Unabhängig von der richtigen Diskussion über den Tucholsky-Satz: Man kann nicht von den wenigen Charlie-Hebdo-Karikaturen, die man als Deutscher nun kennt, auf den Rest schließen. Frédéric Valin hilft bei der Einordnung:
    Von 1060 Titelblättern waren drei islamkritisch.</
    Satirezeitschriften haben in Frankreich eine andere Funktion als in Deutschland.
    „Charlie Hebdo ist eine entschieden antirassistische Zeitung“, auch wenn sie rassistisch anmutende Karikaturen abdruckt.
    Es lebe der Kontext!

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  6. Auch wenn Tucholsky oft so Zeug geschrieben hat, das zeitlos scheint, hilft es vielleicht hier, den Kontext zu lesen:
    http://de.wikisource.org/wiki/Was_darf_die_Satire%3F_%28Tucholsky%29

    Mit seinem Fazit „Was darf Satire? Alles!“ bezieht er sich auf den eigenen Text, in dem er ein Deutschland skizziert, in dem sich die Satire nichts traut. Ich lese Tucholskys Fazit hier also nicht als Rechtfertigung, sondern als Ermutigung auf Basis von anderen Grundvoraussetzungen.

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