Nachspiel: Nockherberg 2010 oder „Wasch mir den Kopf, aber mach mich nicht nass!“

Michael Lerchenberg war zum dritten Mal der Barnabas, mit der Betonung auf ‚war’, denn er ist nach den Querelen um seinen „KZ-Vergleich“ zurückgetreten. Lerchenberg war gut, sehr gut sogar. Aber wer gut „derbleckt“ ( „derbleck(e)n“ bezeichnet im Bairischen das kritische Spiegel-Vorhalten gegenüber Personen des öffentlichen Lebens (Wikipedia)), wird ausgemustert. Das ging vor etwa vier Jahren schon dem Kabarettisten Django Asül so. Was ist gut und wer setzt den Maßstab? Zu allererst muss klar sein: Das ist eine Paulaner-Werbeveranstaltung, vom Bayrischen Fernsehen öffentlich-rechtlich übertragen, bei der Wiederholung am Freitag im Übrigen zensiert! Ein nicht ausgesprochener Maßstab könnte sein: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Es war eine sehr kritische Rede, Klartext, anklagend und satirisch gekonnt überzeichnet. Dazu gehörte die Passage, in der Lerchenberg Westerwelles populistische Herabwürdigung von Hartz4-Beziehern gedanklich weiterführte: Eingesperrt in stacheldrahtumzäunte Lager im leeren Osten, bewacht von gelbe-T-Shirts-tragenden Wächtern, über dem Eingang der Schriftzug (beschreibt einen Halbkreis) „Leistung muss sich wieder lohnen“. Natürlich assoziiert jeder sofort das Auschwitz-Torschild „Arbeit macht frei“. Nazivergleiche sind meines Erachtens dann zulässig, wenn sie nicht als „Totschlagargumente“, sondern als Mahnung in Form der Satire gebraucht werden. Der Zentralrat der Juden tut der Gesellschaft einen Bärendienst, wenn er zum „Zensurrat“ mutiert. Seine „Wächter-, Mahner- und Aufklärerfunktion“ bleibt nur lebendig, wenn er in bester jüdischer Tradition auch Satire und Witz versteht und lebt.

Wie immer nach der Barnabasrede wurden die Angesprochenen auf ihre „Betroffenheit“ hin interviewt. Sie waren durchweg angetan, es sei nicht so spaßig, eher ernst gewesen. An besagtem Vergleich hat sich kein einziger gestört! Gestört hat mich allerdings, dass sich keiner Anwesenden betroffen zeigte, was die vielen Kritikpunkte betraf. Hier wären Entschuldigungen und Besserungsversprechen angesagt gewesen. Aber selbst das unverblümte Darstellen krimineller Handlungen glitt – wie alarmierend rückläufige Wahlbeteiligungen –  am teflonbeschichteten Gewissen vieler „Leistungsträger“ ab. Dabei sollte doch den Großkopferten das Lachen im Halse stecken bleiben. Blieb aber nicht. Sie lachen, vor allem wenn sie sich im Fokus der Kamera wähnen, und machen weiter wie bisher. Aber so ist schon immer das Los der Hofnarren gewesen. Sie leben auf des Messers Schneide. Entweder der Herrscher ist gut drauf und hört sich kritische Worte an oder der Hofnarr wird bei Nichtgefallen anschließend einen Kopf kürzer gemacht. War dieser geschichtliche Vergleich mit der Todesstrafe jetzt zulässig? Lerchenberg muss nur gehen. Anscheinend hat sich bis zur Intervention von Herrn Westerwelle und Frau Knobloch niemand am KZ-Vergleich gestört. Doch dann kamen die „Trittbrettfahrer“, die Strauß-Darsteller und Rede-Mitautor Helmut Schleich richtigerweise anprangerte, schwangen sich auf die Empörungsschiene und lenken ab von der berechtigten Schelte. Insofern war der KZ-Vergleich höchstens ungeschickt, weil sich jetzt alle hierauf konzentrieren und die „Watschen“ leider verpuffen. Wo bleibt der Aufschrei der Kabarettisten und der kritischen Menschen im Land? Übernehmen jetzt die Fundamentalisten (und die gibt es nicht nur unter den Islamisten!) die Rolle derjenigen, die bei Mohammed-Karikaturen mit Mord drohten? Es muss doch möglich sein, vor gefährlichen Entwicklungen drastisch zu warnen. “ Sicher kann und darf man Westerwelle nicht als Nazi bezeichnen, wer aber Menschen pauschal verhöhnt – ein Vizekanzler und Außenminister ist ja nicht irgendwer –  muss sich auch gefallen lassen, mit satirischer Fortführung seiner eigenen Worte konfrontiert zu werden. Zivilcourage ist nicht nur bei schlägernden Jugendlichen, sondern auch bei politischen Brandstiftern angezeigt. Und vergessen wir nicht die Kritik Lerchenbergs an belegten (!) kriminellen Machenschaften von Politikern, Wirtschaftsgrößen, hier vor allem der Banker, und in Kirchen- und der Polizeikreisen. Darüber gilt es doch zu sprechen, schonungslos Aufklärung zu verlangen und Besserung zu erwarten, auch wenn ich nicht wirklich daran glaube. Schade, dass Lerchenberg seine anfängliche Verteidigung „Die Themen erfinde ich doch nicht, die liegen auf der Straße. Ich habe mich nur gebückt und sie aufgehoben.“ (…) Er habe „in  der Fastenpredigt nur ein paar Schritte weitergedacht“ nun in eine „Kündigung“ verwandelte. Wenn ich schon höre, dass da wieder jemand von „Respekt vor dieser Entscheidung“ spricht. Solidarität mit Michael Lerchenberg, Christian „Fonsi“ Springer und Helmut Schleich ist dringend angesagt! Sehr richtig bemerkte die Grünen – Landesvorsitzende Theresa Schopper, „dass hier ein willkommener Vorwand gesucht wurde, um einen unbequemen Prediger loszuwerden.“ Ich meine, jetzt muss das Derblecken erst richtig anfangen! Kein Amen. Punkt. Rufzeichen! (H.B.)