Personenbeschreibung

„Drei Stunden lang hatte sich Hauptkommissar Justus Leukerding mit dem Zeugen A. an der Personenbeschreibung gequält. Mit zunehmender Dauer drängte sich Leukerding die Gewissheit auf, mehr an einem Gemälde, denn einem sachdienlichen Hinweis gearbeitet zu haben. Hatte Zeuge A. ihm einfach ein Bild diktiert?“ V. Onmir

Zeichnung/Collage: V. Onmir, Rabenkalenderrückseite 26.6.2018

Zum Martinstag

Sankt Martin

 

Hoch zu Pferde,

umringt von vielen Menschen auf der Erde,

erschien Sankt Martin auf dem Marktplatz.

Der Reiter schnalzte,

hob an zu galoppieren

und zerteilte …

… die Menge.

„Den Mantel! Den Mantel!“

scholl es ihm erbost entgegen.

© Helmut Bachschuster   11.11. 1990

 

 

Die Kunst, auf Wasser zu gehen…

… hat der Künstler Christo circa eineinhalb Millionen Menschen am Iseosee ermöglicht – kostenlos – für die Wasserwandler. Christo selbst finanziert ja alle seine Projekte durch den Verkauf seiner Zeichnungen. Merchandising gibt es nicht, nur lizensierte Kunstbände. Die ersten beiden sind erschienen und zum Beispiel hier erhältlich. Nachdem ich den verhüllten Reichstag, das verhüllte Verwaltungsgebäude der Firma Würth in Gaisbach und einen Vortrag Christos anlässlich seines 70. Geburtstages im Globe-Theatre in Schwäbisch Hall erleben durfte, war die Fahrt an den Iseosee zu THE FLOATING PIERS ein Muss Darf.

Tourismusprospekt

Tourismusprospekt

 

Verkehrschaos aller Orten

Verkehrschaos aller Orten

Im Vorfeld hatten die Medien über die katastrophalen Zustände im Umfeld des Projektes berichtet, denn statt der anfangs erwarteten 200 000 Besucher waren doch weit mehr gekommen als Parkplätze, Bahn und Bus rund um den See verkraften konnten. Man musste schon in höhere Regionen zum Parken ausweichen. Allerdings entdeckte ich bei der Gelegenheit einen Agriturista (Ferien auf dem Bauernhof) Betrieb 400 m über dem See, der zur Übernachtungsstätte werden sollte.

Mehrere Anläufe, Sulzano, den Ausgangsort mit dem Zug zu erreichen scheiterten, da die Züge nach keinem Fahrplan mehr fuhren und völlig überfüllt waren.

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Die Übernachtung auf dem Bauernhof, nur über abenteuerliche Wege durch Gebüsch und Felsen zu erreichen, bot einen gigantischen Ausblick über den See. Sogar FLOATING PIERS war mit dem bloßen Auge zu erkennen (Pfeil)und nachts LED-beleuchtet.

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Morgens um sieben Uhr war es dann auf dem Weg zum See schon ganz schön voll.

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Auf dem Wasser gehen, auf Kunst laufen – begehbare Kunst, art to go. Wo gab’s das schon mal? Ein Riesendankeschön Christo und seinem Team! Die Sinne tanzen: Nähe, technische Sicht, Abgleich mit den Vorinformationen, Panoramablick, Beobachten der Mitbeobachter von Weit und Fern. Barfuß (von Christo vorgeschlagen), bestrumpft oder beschuht (auch barfußbeschuht, siehe Bild), ob mit Rollstuhl, Kinderwagen, ob mit oder ohne Krücken, Männer, Frauen (auch mit Kopftuch), Kinder in Familien oder Schulklassen, Hunde, Reisegruppen, Paare – vom Stress befreit, friedlich über eine 16 m breiten, faltenstoffbespannten Pontonsteg ohne (!!!) Geländer. Ob das unsere „Sicherheitsterroristen“ beispielsweise auf dem Bodensee zugelassen hätten? Aber ich will mir durch diese Gedanken die Friedlichkeit nicht zerstören lassen. KUNST KANN FRIEDEN SCHAFFEN! Wobei durchaus auch Anwohner durch die temporäre KUNST-REGION genervt waren und dies über Verbotstafeln, dass hier kein WC sei, kein Essen verkauft würde etc. zum Ausdruck brachten. Die überwiegende Anzahl jedoch machte das Beste draus, indem sie die Gäste freundlich empfingen und sich hie und da etwas dazu verdienten. Wer weiß, ob nicht manch einer hier mal Urlaub macht?

Der Fischer ließ sich nicht bei seiner gewohnten Arbeit stören.

Der Fischer ließ sich nicht bei seiner gewohnten Arbeit stören.

 

Einen Flyer bekam jeder von den vielen Assistants. Wer Glück hatte, ergatterte zusätzlich ein Stückchen des legendären Stoffes.

Einen Flyer bekam jeder von den vielen Assistants. Wer Glück hatte, ergatterte zusätzlich ein Stückchen des legendären Stoffes.

 

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Schaut die Sonne aus den Wolken, glänzt der Stoff in allen Goldtönen.

Schaut die Sonne aus den Wolken, glänzt der Stoff in allen Goldtönen.

 

nicht zuletzt durch die bewusst eingeplanten Falten entsteht der Glanz

nicht zuletzt durch die bewusst eingeplanten Falten entsteht der Glanz

 

Besonders spektakulär, die V-förmige Kreuzung zur Isola di San Paolo, die der Familie Beretta gehört.

Besonders spektakulär, die V-förmige Kreuzung zur Isola di San Paolo, die der Familie Beretta gehört.

 

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Sogar die Bierbänke und -tische hatten die Farbe der PIERS angenommen. Oder waren sie schon vorher so?

Sogar die Bierbänke und -tische hatten die Farbe der PIERS angenommen. Oder waren sie schon vorher so?

 

Nur zwei kleinere "Verletzungen" des Stoffes waren zu beklagen.

Nur zwei kleinere „Verletzungen“ des Stoffes waren zu beklagen.

 

Einer der unzähligen ASSISTANTS, alle gleich gewandet, freundlich und hilfsbereit.

Einer der unzähligen ASSISTANTS, alle gleich gewandet, freundlich und hilfsbereit.

Don kann was

Man nannte ihn im ganzen Viertel nur Don. Woher der Name kam, war umstritten. Manche führten es auf seine angebliche Herkunft aus Donnstetten zurück. Andere wollten gehört haben, dass sein Herrchen ihn immer mit „Do gohsch her, du Donderwetter!“ zu sich befahl. Schweikhard, der knitze dreibeinige Knuddelköter mit rumänischem Migrationshintergrund meinte sicher zu wissen, dass der russische Fluss Don bei der Namensgebung Pate gestanden hatte, denn Don war still. Keiner seiner Weggefährten hatte ihn jemals bellen hören. „Vielleicht kommt es auch von Donnerstag…?“ Weiter kam er nicht, denn die Meute erhob ein Jaulen, alle verdrehten die Augen, wie immer, wenn der Westi eine seiner vom Rest als peinlich empfundenen Bemerkungen absonderte. Doch zurück zu Don. Don war kein normaler Hund, Don war Künstler. Alle bewunderten ihn ob seiner besonderen Gabe des Kunstpissens. Gut, pissen konnte jeder der Kameraden, bis auf die Hundedamen, die Bello, der ausgewiesene Macho des Viertels, respektlos „Rüdinnen“ nannte. Natürlich konnten die Damen ebenfalls pissen, aber Dons Kunst bestand darin, Bilder pissen zu können. Heute hatte er angekündigt, ein Profil seines Herrchens zu zeichnen. Schnuffelnde Unruhe begleitete sein Aufstellen an der besonders glatten Hauswand der Metzgerei. Don blickte in die Runde. Schlagartig erstarben alle Geräusche. Allein die beiden vorbeifahrenden Autos hielten sich nicht an die Vereinbarung. Don hob den rechten Hinterlauf und los ging’s. Was mit einem unscheinbaren nassen Fleck begann, der sauber die untere Kante der Hauswand ausfüllte, endete mit dem klar erkennbaren Profil des allen bekannten Herrchens auf der linken Bildseite. Nachdem Don sein Bein wieder abgesetzt hatte, begann ein Schwanzwedeln, begleitet von einem vielstimmigen Winseln und Wuffen. Don nahm dankbar den Applaus entgegen. „Donnerwetter!“ kommentierte Dons Herrchen, der sich, von den meisten unbemerkt, der Vorführung angeschlossen hatte. Er war ziemlich stolz auf seinen Don.

© Helmut Bachschuster 2015

Die Zielscheibe

oder Menzing malt Geschichte

Menzing hatte eine Jubiläumszielscheibe zum Vereinsjubiläum des örtlichen Schützenvereins zu gestalten…
…und produzierte nur Ausschuss, ohne allerdings zu wissen, warum. Obwohl ihm Vorlagen zur Verfügung standen, war der Boden inzwischen von Fehlversuchen übersät. Nach etlichen schlaflosen Nächten, die ihn an seiner gesamten beruflichen Arbeit zweifeln ließen, bescherte ihm die kommende Nacht einen erhellenden, ja geradezu zukunftsweisenden Traum:
Die Menschheit hatte das Zielen verlernt, und damit auch das Treffen. Eine als Waffenfabrik getarnte Pazifistenorganisation hatte den Anfang gemacht. Die Meldungen über nicht treffende Gewehre erschienen plötzlich in einem ganz neuen Licht und ihm war nun, von wem auch immer, die Aufgabe zugefallen, mit seinen vermeintlichen Ausschuss-Bildern – die Begrifflichkeit hätte ihn gleich stutzig werden lassen müssen: „Aus“ und „Schuss“ – eine Wende im der Entwicklung der Menschheitsgeschichte einzuleiten. Seine Kunst war der Beginn des Verlernens von Treffen und Zielen. Als nächster Schritt würde nun ein Tsunami von Merchanding-Artikeln mit der Symbolik des alten Denkens die Welt überschwemmen und eben dieses löschen. Vortrefflich!

© Helmut Bachschuster