Bastian Melnyk zeichnet jeden Tag Comics seiner Hauptfigur Fledermaus Fürst Frederick von Flatter, genannt Fred. Dessen bester Freund ist Käfer. Dafür verbraucht Bastian Unmengen von schwarzer Tusche für den Hintergrund. Ich will hier keine Comics erzählen. Man muss sie sich anschauen und sich hinein leben und ist stets aufs Neue über den tiefgründigen und sprachlich überraschenden Witz erstaunt und kommt zur Erkenntnis, dass Schwarz-Weißmalerei extrem bunt sein kann. Bunt wie seine Sprachserien und –spiele. Er outet sich als einer, der bei Namen völlig unkreativ sei, deshalb heißen alle Protagonisten Peter. In einer weiteren Geschichte lernen wir ein Haustier namens Haustür kennen, das, wie könnte es anders sein, apportüren kann. Zungensprachakrobatisch wird es in der Petergeschichte, in der es um Petererscheinendestimmenimitatoraußerirdische geht. Nachdem sich durch täglichen Emailverkehr mit seiner Freundin, obwohl sie sich sahen, eine gewisse Langeweile entstanden war, begann er Begegnungen zu schreiben, „ich schreibe das so runter.“ Wir hören von einem Schmetterling, der mit seinem martialischen Namen nicht klar kommt und lieber ein Schmusling wäre. Oder von einem Schuh, der mit Hilfe von Käsebrötchenauflage, oder war es Brötchenkäseauflage, den Trennungsschmerz von seinem Fuß zu überbrücken versucht. Zum Schluss erfahren wir, dass Nilpferde nilwiehern, das wie lachen klingt. Bastians T-Shirt übrigens war ohne Botschaft, einfach schwarz, wie Tusche.
Schon die Ansage des letzten Letzniesers, Jan-Uwe (mit Hemd, kein T-Shirt) Fitz strotze von Superlativen. Beispiel: Fitz hat als Taubenvergraemer bei Twitter knapp unter 30 000 Follower, so viel wie die Anzahl der Einwohner Herrenbergs! Sein Blog sei eine(r) der berühmtesten (oder war’s der berühmteste, ich hab da nicht richtig aufgepasst?) Kein Wunder, denn die Lesung aus seinem Roman Ich denke, also spinn ich mit einer Hauptfigur namens Jan-Uwe Fitz, die, laut Klappentext völlig gestört ist und ständig Angst hat, gerät zu einer Bühneshow mit Dauerdialog mit dem Publikum. Er spielt seine verschiedenen Rollen in einer Intensität, Sprachgewalt und einem Witz großer Schauspieler, unterbricht sich selbst, um immer wieder auf Reaktionen, auch vermeintliche, des Publikums einzugehen. Die Frage, warum der Roman kein Roman ist, kann letztendlich nur jeder, der im Anschluss das Buch kaufte, für sich selbst klären. Und dass die Rahmenhandlung nicht zu Beginn, sondern im Buch erscheine, schob Jan-Uwe Fitz auf den Verleger. Und nicht nur einmal gibt er Lebenshilfe für ängstliche Menschen, beispielsweise im Problem, dass der Protagonist bei einer ICE-Fahrt auf den Scheitel eines Mitreisenden schauen muss, der die Kopfhaut freigibt (Ein Scheitel ist Porno), anstatt sie mit den Haaren zu bedecken. Außerdem würgt Herr Menke und läuft Amok (irrational & spontan) Und dann war noch was vom illegalen Patienten.
Nachtrag: Richtig wiesen Uli Eder und TurnieGC darauf hin, dass Jan-Uwe Fitz‘ Roman „Entschuldigen Sie meine Störung“ heißt.
Lohn der Angst? Dass die Besucher einer Netzliteratur-, bzw. Literaturnetzreihe, die sich etabliert hat, möglicherweise bis zum Herbst auf DLNVI warten müssen und so frühzeitig im Zimmertheater sein müssen, um einen Sitzplatz zu bekommen! Außerdem passt diese SPRECHSTUNDE hervorragend ins Zimmertheater, das damit in gekonnter Weise sein Portfolio abrundet, Uli Eder & Wolfgang Brenner sei Dank!
…. und meinem Kollegen & Fotografen des Abends Matthias Knodel!