Wacholderbüsche, „Wägledrboscha“
Archiv für den Monat: Juli 2016
Gesenkschmiede Henning
Vor zwei Jahren meldete das Traditionsunternehmen Insolvenz an.
In der Folgezeit wurde viel über die zukünftige Verwendung des Industriedenkmals diskutiert. Am kommenden Wochenende steigt ein Event unter dem Namen „Neubraugebiet“. Möglicherweise hätte man das klägliche Ende der Gesenkschmiede Henning abwenden können, wären die Reutlinger Nachrichten/Südwestpresse schon damals – und nicht erst heute, am 13.7.2016 – auf die kreative Idee gekommen:
Gerade noch mal gut …
… gegangen. Der Wacholder ist neben der Silberdistel die landschaftsprägende Pflanze der Schwäbischen Alb. Die „Wäglerdrboscha“ zeigen dem aufmerksamen Betrachter alle Entwicklungsstadien der Frucht gleichzeitig. Die Initiative ALBWACHOLDER hat sich zur Aufgabe gemacht, die Nutzung und Pflege des Wacholder zu kommunizieren. Was man dem Wein nachsagt („je älter desto besser“), versucht man jetzt auch in der Wacholderszene umzusetzen:
Musik und Kunst für Alle(e)
Es war wohl eines der HighLIGHTS der Kunstallee in Würtingen-St. Johann: Die Kunstwerke bei sternklarem Himmel – sogar die Milchstraße überstrahlte den Lichtmüll unserer beleuchteten Städte – waren behutsam mit kleinen LED-Lampen illuminiert. Mitten drin auf einer Bühne, begleitet von der Background“Musik“ des Aggregats, die beiden Musiker Friedemann Dähn (Elektrocello) und Bernd Settelmeyer (Percussion). Experimentell, mal laut, dann sanft plätschernd, schrill, melodisch, rhythmisch mitreißend – bekannt und unbeschreiblich. Extreme bestimmten das Konzert, überraschten das Publikum und schufen ein unvergessliches Musik- und Kunsterlebnis an einem Ort, den ich schon -zig Mal zu Fuß und per Rad durchquert hatte. Für kurze Zeit verließ ich den Ort des Geschehens in Richtung Fohlenhof, bgleitet von der zwar nach wie vor deutlich zu hörenden, jedoch schwächer werdenden Musik, die sich „am Ufer“ von Martin Bürcks MEER mit einer Gesangs- und meeresrauschender Klanginstallation mischte. Auf dem Rückweg findet der Blick neben dem Sichelmond auch noch temporäre Feuerinstallationen, um dann wieder auf der gut ausgeleuchteten Bühne Loops mit Cello und afrikanische Percussionsinstrumente zu hören und zu sehen. Unbedingt die Ausstellung bis 17.7. anschauen – zu jeder Tages- und Nachtzeit!
Noch ein kleiner Rückblick auf …
… das Kunstereignis am Iseosee: Webkamerafilm im Zeitraffer.
Die Kunst, auf Wasser zu gehen…
… hat der Künstler Christo circa eineinhalb Millionen Menschen am Iseosee ermöglicht – kostenlos – für die Wasserwandler. Christo selbst finanziert ja alle seine Projekte durch den Verkauf seiner Zeichnungen. Merchandising gibt es nicht, nur lizensierte Kunstbände. Die ersten beiden sind erschienen und zum Beispiel hier erhältlich. Nachdem ich den verhüllten Reichstag, das verhüllte Verwaltungsgebäude der Firma Würth in Gaisbach und einen Vortrag Christos anlässlich seines 70. Geburtstages im Globe-Theatre in Schwäbisch Hall erleben durfte, war die Fahrt an den Iseosee zu THE FLOATING PIERS ein Muss Darf.
Im Vorfeld hatten die Medien über die katastrophalen Zustände im Umfeld des Projektes berichtet, denn statt der anfangs erwarteten 200 000 Besucher waren doch weit mehr gekommen als Parkplätze, Bahn und Bus rund um den See verkraften konnten. Man musste schon in höhere Regionen zum Parken ausweichen. Allerdings entdeckte ich bei der Gelegenheit einen Agriturista (Ferien auf dem Bauernhof) Betrieb 400 m über dem See, der zur Übernachtungsstätte werden sollte.
Mehrere Anläufe, Sulzano, den Ausgangsort mit dem Zug zu erreichen scheiterten, da die Züge nach keinem Fahrplan mehr fuhren und völlig überfüllt waren.
Die Übernachtung auf dem Bauernhof, nur über abenteuerliche Wege durch Gebüsch und Felsen zu erreichen, bot einen gigantischen Ausblick über den See. Sogar FLOATING PIERS war mit dem bloßen Auge zu erkennen (Pfeil)und nachts LED-beleuchtet.
Morgens um sieben Uhr war es dann auf dem Weg zum See schon ganz schön voll.
Auf dem Wasser gehen, auf Kunst laufen – begehbare Kunst, art to go. Wo gab’s das schon mal? Ein Riesendankeschön Christo und seinem Team! Die Sinne tanzen: Nähe, technische Sicht, Abgleich mit den Vorinformationen, Panoramablick, Beobachten der Mitbeobachter von Weit und Fern. Barfuß (von Christo vorgeschlagen), bestrumpft oder beschuht (auch barfußbeschuht, siehe Bild), ob mit Rollstuhl, Kinderwagen, ob mit oder ohne Krücken, Männer, Frauen (auch mit Kopftuch), Kinder in Familien oder Schulklassen, Hunde, Reisegruppen, Paare – vom Stress befreit, friedlich über eine 16 m breiten, faltenstoffbespannten Pontonsteg ohne (!!!) Geländer. Ob das unsere „Sicherheitsterroristen“ beispielsweise auf dem Bodensee zugelassen hätten? Aber ich will mir durch diese Gedanken die Friedlichkeit nicht zerstören lassen. KUNST KANN FRIEDEN SCHAFFEN! Wobei durchaus auch Anwohner durch die temporäre KUNST-REGION genervt waren und dies über Verbotstafeln, dass hier kein WC sei, kein Essen verkauft würde etc. zum Ausdruck brachten. Die überwiegende Anzahl jedoch machte das Beste draus, indem sie die Gäste freundlich empfingen und sich hie und da etwas dazu verdienten. Wer weiß, ob nicht manch einer hier mal Urlaub macht?